Geben und Nehmen

Es war einmal ein armer Mensch, bettelarm, der war so geizig, dass alles, was er besaß, seine Raffgier in Beschlag nahm. Seine Habseligkeiten, die weit und breit verstreut lagen, waren von ungeheurer Nutzlosigkeit: Staub, Vergorenes, Schlickwasser und eine Weltmacht von Ratten, die nie abließen, von seinem abgemagerten Leib tagtäglich zu kosten. Das Größte aber, was er besaß, war Neid, der Neid auf sich selbst. Daher riss er jenen letzten Luftzug, der durch eigentümliches Verquirlen der Winde in sein Verlies drang, mit hasserfülltem Lufteinholen an sich, blähte seine Lungen auf, bevor er mit zerlumpter Jacke und darunter nichts als sein madenzerfressenes Fleisch in die Stadt mehr schlurfte als ging. Dort atmete er seine Pest und all seine leibliche Fruchtbarkeit mit jedem Röcheln, das aus ihm herauslärmte, in die randvoll bewohnten Vorstädte.
Nichtsdestotrotz wirkten auch da die gewaltigen Prinzipien göttlicher Macht, war es doch ein Geben und Nehmen, dem auch Philipp, so hieß der Gequälte, unterworfen war. Sein mit Fäulnis beschenkter Körper lud all seine Fruchtkeime in die empfänglichsten Glieder der Menschheit, die das Empfangene, wenn nicht freudig, so doch auf unendlich bescheidene Weise an ihre Umgebung weitergaben. Epidemien, und damit wäre dann die Geschichte wirklich zu Ende, Epidemien hatten die Eigenschaft, die Menschen gleich zu machen… und friedlich.

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